Skigebiet mit Ambitionen

Die Zillertaler Gletscherbahnen bringen seit Mitte der 90er Jahre ihre gesamte seilbahntechnische Ausrüstung auf den neuesten Stand der Technik. Ein Blick hinter die Kulissen beweist, dass die rekordverdächtigen Ambitionen nicht auf Kosten der Landschaft verwirklicht werden.

von Claus Hannewald


„Wow!” sagen die Kinder im Werbespot der Gletscherbahn, wenn sie den Hintertuxer Gletscher erblicken. Hauptsächlich gilt dieses Staunen dem Skigebiet mit 22 modernen Liftanlagen auf einer Fläche von 270 ha und dem Rekord der „höchstgelegenen Zweiseilumlaufbahn der Welt”.

Diese Zweiseilumlaufbahn, auch bekannt als „Gletscherbus 3“ (Doppelmayr), war der Grund, weshalb das Skigebiet am Hintertuxer Gletscher den begehrten ersten Preis des renommierten Fachmagazins „Ski & Snowboard” in der Kategorie „weltweit beste technische Anlage” erhalten hat – und das zu Recht. Nicht nur die extreme Höhenlage (Talstation auf 2 660m, Bergstation auf 3 250m) machen die Funitel, die 1999 von Doppelmayr gebaut wurde und die dritte und höchste Sektion der Gesamtstrecke bedient, einmalig. So arbeitet im Keller der Talstation der stärkste Funitelantrieb der Welt, zugleich einer der stärksten Seilbahnantriebe Österreichs mit einer Leistung von 2 040 kW. Vier Motoren und zwei Getriebe bringen die 27 Kabinen für je 24 Personen auf eine Maximalgeschwindigkeit von 6m/s. Dabei erreicht die Bahn eine Förderleistung von 3 000 P/h. Eine höhere Förderleistung (bei einer Funitel üblicherweise 3 200 P/h) wurde von der Gletscherbahn aufgrund der maximalen Streckensteigung von 88 % nicht für sinnvoll erachtet. Die eigentliche Besonderheit der Bahn bleibt für den Fahrgast unsichtbar. Da es nicht möglich war, Antrieb und Spannwagen zur Bergstation zu transportieren, befindet sich im „Gletscherbus 3“ der einzige mobile Funitelantrieb der Welt. Er überrascht einerseits durch das enorme Gewicht, bedingt durch die beiden unabhängigen Antriebe über und unter der Seilscheibe, und andererseits durch seine Größe. Die beiden Ablenkscheiben, jede so groß wie die Antriebsscheibe selbst, befinden sich nebst dieselhydraulischem Hilfsantrieb mit auf dem Spannwagen. Der gesamte Spannweg beträgt 9m.

Der Natur angepasst

Diese Daten lassen riesige Stationsgebäude vermuten, befinden sich doch die E-Räume mit Thyristoren, Umrichtern und allen nötigen Geräten gleich neben dem Antriebsraum unter dem Bahnsteig. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Talstation wirkt wie ein einstöckiges Gebäude. Und selbst dieses erweckt nicht im geringsten den Eindruck von schwerer, grauer Betonbauweise. Der Betrachter sieht ein gefälliges Gebäude mit großen Glasfronten, wobei auch die Kabinenausfahrt von außen nur auf den zweiten Blick zu erkennen ist. Nach dem Verlassen des Beschleunigers und dem Überfahren der Kuppelstelle fahren die Kabinen bis zur Stütze 2 durch einen 60 m langen Tunnel. Erst dort führt die Strecke im Freien weiter. Der Ausfahrtunnel wurde nach der Fertigstellung wieder mit Steinen überschüttet. Auch an der Unterseite der Station, die in relativ steilem Gelände liegt, ist die Höhe des Gebäudes nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Hier wurde das Gelände terrassenartig mit Natursteinen geformt. Die Bergstation wurde der Talstation entsprechend gebaut. Auch hier ist nur die Bahnsteighalle von außen zu erkennen. Der Umlenkraum, in dem das Notstromaggregat für die Bergstation steht, und der E-Raum sind im Keller untergebracht. Dadurch ist hier der Bahnsteig ebenerdig. Die Bahnsteighalle ist als Stahlkonstruktion ausgeführt und zum großen Teil geschickt mit Glas verkleidet.

Noch ein Gletscherbus

Nach ähnlichen Gesichtspunkten wurde 1995 der „Gletscherbus 2“ gebaut. Auch diese Anlage kann man als Rekordhalter bezeichnen. Sie war die erste von Doppelmayr gebaute Funitel mit einem einzigen Förderseil.
Ihr Vorgänger, die zum „Gletscherbus 2“ parallel verlaufende 4 EUB aus dem Jahr 1974, führte noch durch die Senke zwischen Sommerbergalm und Tuxer Fernerhaus, war modernen Beförderungsansprüchen aber nicht mehr gewachsen. Der Gletscherbus überquert diese Senke in einem großen Spannfeld, wodurch Windstabilität besonders gefragt ist. Vom Hersteller wurde die neue Bahn deshalb für Windgeschwindigkeiten bis zu 100 km/h ausgelegt. Als Antrieb kam ein fixer Bergantrieb mit einer Maximalleistung von 1 655 kW zum Einsatz, der Spannwagen befindet sich unter der Talstation. Der „Gletscherbus 2“ hat eine Förderleistung von 3 200 P/h und läuft mit 34 Wagen. Diese Funitel verkehrt auf der Strecke, die früher der längste Einer-Sessellift Österreichs aus dem Jahr 1968 befuhr. Auch er führte noch durch die genannte Senke und hatte dort einen Zwischeneinstieg. Da mit dem Abbruch dieser Liftanlage auch ihre Rückbringerfunktion entfiel, war dringend Abhilfe nötig. So wurde zeitgleich mit der Attraktion „Gletscherbus 2“ noch eine weitere Weltneuheit gebaut: der erste fixgeklemmte Sechser-Sessellift. Die Bergstation des 6-CLF steht unweit der Talstation des „Gletscherbus 2“ auf einem Hügel. Hier ist auch der Unterflurantrieb mit max. 167 kW untergebracht. Die hydraulische Zweizylinder-Seilspanneinrichtung befindet sich in der Talstation.

Gute Baumeister am Werk

Diese beiden Anlagen brachten einen enormen Aufwand an Baumeisterarbeiten mit sich. Auch bei der Bergstation des „Gletscherbus 2“ am Tuxer Fernerhaus wurde die Strategie verfolgt, möglichst viel Bauvolumen unter die Erde zu verlegen. Der Bahnsteig liegt auf einer Ebene mit dem Aus- und Eingang. Der Fahrgast hat auf dem Weg von der Bahn zur Piste keine Treppen zu überwinden. Unter der Bahnsteighalle arbeitet der starre Antrieb, der sich selbst über zwei Stockwerke erstreckt. Im Antriebsraum stehen außerdem noch die Dieselmotoren für die Notstromversorung der Bergstation und für den hydraulischen Notantrieb der Bahn. Neben dem oberen Antriebsraum befindet sich direkt unter dem Bahnsteig der E-Raum. Dort versehen die Frequenzumrichter für die Beschleuniger, Verzögerer und Umlaufförderer ihren Dienst. Auch die Leistungselektronik für die vier Hauptmotoren steht hier. Da die Bergstation des Einer-Sesselliftes, der vorher an der gleichen Stelle stand, erheblich kleiner war und die neue Funitel nicht in das dahinter stehende Tuxer Fernerhaus hineingebaut werden sollte, musste die Station zum Teil aufgeständert werden. Bahnsteig und Umlaufbogen stehen somit auf dem darunter liegenden Kellergeschoß mit dem Antrieb. Der Stationsteil mit den Beschleunigern und Verzögerern wurde auf eine Stahlkonstruktion gestellt. Diese notwendige Maßnahme lässt das Haus erheblich höher und größer erscheinen. Die Talstation des „Gletscherbus 2“ sieht von außen der Bergstation sehr ähnlich. Der sichtbare Gebäudekomplex wurde mit einer ansprechenden Verkleidung aus Glas, Holz und Blech versehen. Das große Oberlichtfenster in der Station lässt, gemeinsam mit den Glasfassaden, viel Licht einfallen und sorgt dafür, dass die Station großzügig wirkt, ohne „klotzig” zu erscheinen.

Kompakt und ohne Schnörkel

Die Bergstation des 6-CLF besteht neben der Einfahrstütze und der Sesselführung nur aus einem zentralen
Betonsteher, an dessen bergseitigem Ende die verkleidete Antriebswelle in den Keller führt. Auf diesem Steher befindet sich die Antriebsscheibe mit einem Durchmesser von 5,5m. Auf Umbauung wurde gänzlich verzichtet. Diese Station ist eingerahmt vom Haus der Skischule neben dem Talseil und dem Bedienerhäuschen mit den E-Räumen neben dem Bergseil. Lärmemissionen an die Umwelt wurden durch die Verwendung eines Unterflurantriebes auf ein Minimum reduziert. Neben dem Antrieb im Keller befinden sich zwei übereinander liegende Sesselbahnhöfe, welche die 68 Sessel der Anlage über die Sommermonate aufnehmen. Im Winter dienen sie als Skidepots. Von den Bahnhöfen und den Gebäuden des davor liegenden Shops nimmt der Betrachter von außen nur die Glasfront der Schaufenster beiderseits des Eingangs wahr. Die Gebäude wurden nach ihrer Fertigstellung mit Erdreich überschüttet und begrünt, sodass die ursprüngliche Hangform weitestgehend hergestellt wurde.

Noch eins draufgesetzt

Das zuletzt fertig gestellte Bauvorhaben war die 8 EUB „Sommerberg“ vom Parkplatz an der Talstation auf die Sommerbergalm. Die Kabinen erhielten einen niveaugleichen Zugang, wie er auch bei den Funitels zum Standard zählt. Der Antrieb dieser Bahn mit 650 kW befindet sich erneut im Keller der Bergstation. Diese Lösung bot sich an, da die Bergstation der 8 EUB auf einem neuen Gebäude mit Garagen für Pistengeräte und Bahnhof für die Kabinen errichtet wurde. Letzterer ist als halbautomatischer Stichgleisbahnhof ausgeführt. Auch im Rahmen dieser Kompaktstation von Doppelmayr wurde auf Niveaugleichheit Wert gelegt. So sind die Bahnsteige der 8 EUB und des „Gletscherbus 2“ auf gleicher Höhe. Das Gebäude, das wegen seiner tragenden Funktion als Betonbau ausgeführt wurde, fügt sich an der Bergseite nahtlos in den Gebäudekomplex der Sommerbergalm ein. Die Station der 8EUB selbst zeigt sich durch die Kompaktverkleidung in der charakteristischen Pilzform. Auch wenn dieses Konzept platzsparend und mit kürzest möglichen Bauzeiten zu realisieren ist, bleibt es optisch doch ein Fremdkörper. So ist die Bergstation schon vom Tal aus sichtbar und mittlerweile zu einem markanten Blickfang geworden. Auch gibt es für Skifahrer und Betreiber Nachteile. Bei Schlechtwetter z.B. stehen die wartenden Fahrgäste im Freien – in die Kabinen, die mit geöffneten Türen am Bahnsteig vorbeifahren, regnet es hinein. Die Talstation wurde unterhalb des alten, seit 1965 bestehenden Stationsplatzes komplett neu erbaut. Auch hier wurde wieder nach der Devise gehandelt: möglichst viel unter die Erde. So wurde zur Erweiterung des Parkplatzangebotes unter dem gesamten Komplex eine Tiefgarage für 300 Pkw errichtet. Oberirdisch sind die beiden Gebäude für die neue Verwaltung, ein weiteres Sportgeschäft und diverse weitere Räume die markantesten Hochbauten. Sie bilden von vorne gesehen ein weit geöffnetes U und schließen nach hinten an die Talstation der 8EUB an. Zwischen der 8EUB und dem linken Bürogebäude wurde absichtlich noch ein Bauplatz frei gehalten. Dort wird in zwei bis drei Jahren der „Gletscherbus 1“ – erneut eine Funitel – zum Stehen kommen. Dann ist geplant, die beiden Bürogebäude so zusammen zu schließen, dass sich ein einheitlicher Komplex ergibt, in den die Talstationen der Bahnen integriert werden. Das endgültige Haus wird dann eine Y-Form haben. Damit wurde auch hier wieder ein Gebäude angestrebt, das sich trotz der Größe gut in die Umgebung einpasst. Die darüber befindliche alte Talstation der 4EUB wird in der Folge abgerissen und die Örtlichkeit als Almweide rekultiviert.

Resümee

Das Skigebiet Hintertuxer Gletscher zeigt sich in seiner Ausstattung als äußerst moderner und technisch
richtungweisender Betrieb. So unterhält z.B. kein anderes Skigebiet zwei Funitel-Bahnen (in kürze werden es drei sein). Dabei wurden immer wieder Neuheiten realisiert. Auch die zur Zeit neu entstehende Pendelbahn, welche die Skigebiete Rastkogel und Finkenberger Almbahn verbinden wird, stellt mit 150 Personen fassenden Kabinen und zwei fix abgespannten 70 mm Tragseilen wieder einen Rekord auf und ist zudem noch die größte Pendelbahn Österreichs. Trotz modernster Technik und höchsten Ansprüchen an den Komfort wurde dabei die Landschaft, das Hauptkapital einer Bergbahn, nicht vernachlässigt. In Hintertux wird man keine futuristischen Bauten finden, die unbedacht in die Umgebung gestellt wurden. Stets wurden Gebäude realisiert, die sich in die Landschaft einpassen. Einen nicht unerheblichen Teil trägt dazu die Strategie bei, bei Neubauten möglichst viel Bauvolumen unter die Erde zu verlegen. Die Gebäude wirken dadurch erheblich gefälliger und vor allem kleiner.


Erschienen im MOUNTAIN MANAGER 04/02
www.seilbahn.net

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